DRIVE – Filmkritik



If I drive for you, you give me a time and a place. I give you a five-minute window, anything happens in that five minutes and I’m yours no matter what. I don’t sit in while you’re running it down; I don’t carry a gun… I drive.

(The Driver – Drive)

Drive‘ erzählt die Geschichte von einem namenlosen Stuntfahrer, der von allen nur der Driver (Ryan Gosling) genannt wird. Auf die Frage nach seinem Beruf antwortet er karg: „Ich fahre.” Er gilt in der kriminellen Szene als bester Fluchtwagenfahrer und seine Qualitäten sind eine schier unglaubliche Abgebrühtheit gepaart mit Perfektionismus. Als er seine neue Nachbarin Irene (Carey Mulligan) und deren kleinen Sohn Benicio (Kaden Leos) kennenlernt, fühlt sich der Driver schnell für die beiden verantwortlich und es entwickelt sich eine gewisse Zuneigung zwischen ihnen. Kurze Zeit später wird Benicios Vater Standard (Oscar Isaac) aus dem Gefängnis entlassen und der Driver möchte ihm helfen, mit seiner kriminellen Vergangenheit abzuschließen. Um Standards Schuld beim Gangster Bernie Rose (Albert Brooks) endgültig auszulösen, überfallen der frisch entlassene Häftling und seine Kumpanin Blanche (Christina Hendricks) einen Pfandleiher, der Driver ist als Fahrer dabei. Dumm nur, dass der Strippenzieher Nino (Ron Perlman) ganz andere Pläne hat und die Aktion fürchterlich aus dem Ruder läuft.

Soweit die eigentlich simple und tatsächlich fast belanglose Story des Thrillers. Was ‘Drive’ dennoch zu einem Highlight des noch jungen Kinojahres macht, ist der Bruch mit üblichen Konventionen. ‘Drive’ präsentiert sich in seiner Dynamik als Gegenentwurf zum modernen Actionkino und stilisiert sich oftmals zu einer bis ins Extrem verlangsamten Bewegungsstudie. Sanft gleitende Steadicamfahrten werden häufig mit fixen Close-Ups kombiniert und verleihen Drive durch die mangelnde Bewegung eine subtil anhaltende Spannung. Wiederholt gelingt Refn das Kunststück, das Erwartete nicht zu zeigen, das Unerwartete dafür aber umso drastischer und mit einer konsequenten Nachhaltigkeit. Drive setzt nicht auf die gewohnt optisch-beeindruckende Exposition normaler Hollywoodfilme und trotzdem ergießt sich der Film nicht in realitätsnaher visueller Darstellung. Kurze Schärfebereiche, bunte, clever eingesetzte Lichtquellen und gesättigte farbliche Darstellungen werden zu einer konsequenten, aber sinnvollen, Übersteigerung des Neo-Noir Looks eingesetzt. Neben der superben Optik, kann auch der Sound von Cliff Martinez zu jeder Zeit überzeugen. Suspense und sich langsam aufbauende Klangcollagen finden sich in jeder seiner Kompositionen wieder und stehen damit in Kontrast zu dem atmosphärisch pumpenden Synthie-Pop und elektronischem Eighties-Flair der fünf Fremd-Tracks. Diese handverlesenen, im Neonlicht glitzernden Song-Perlen von unter anderem Kavinsky und Lovefoxx, Desire oder College sind allesamt Ohrwürmer, die sich stilistisch wunderbar in das Gesamtpaket des Filmes fügen.

Auch der Cast überzeugt: Der charismatische Alleskönner und momentane Vorzeige Shooting Star Ryan Gosling (‘Crazy Stupid Love’, ‘Blue Valentine’) holt aus der im Grunde völlig eindimensionalen Figur des Driver das Maximum heraus, weil schon geringste Regungen in seinem Gesicht ganze Bände sprechen. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Lieblingsdarstellerin Carey Mulligan wird leider zur rehäugigen Statistin degradiert und guckt konsequent hinreißend verzweifelt, was natürlich den Beschützerinstinkt der männlichen Zuschauer weckt. Überhaupt sind die Geschlechterrollen in Refns Filmen ja immer extrem ausgeprägt und auch in ‘Drive’ spürt der Regisseur einigen archaischen Aspekten des Männlichen nach, die er unauslöschlich mit Gewalt und Schmerz verbunden sieht. Nicolas Winding Refn entlockt einer klassischen B-Movie Story genauso ein Kunstwerk, wie er es mit dem Gefängnisfilm (‘Bronson‘) und dem Wikingerfilm (‘Valhalla Rising‘) schaffte. Er untermauert damit sein Talent verborgene, zarte Emotionen und radikale Bilder an den unmöglichsten Orten zu finden und zu kombinieren. Refn ist ein großes Talent und ‘Drive’ ist dafür ein eindrucksvoller Beweis: Sein hypnotisches Neo-Noir Meisterwerk ist der Stoff, aus dem Kultfilme gemacht sind.

Drive (USA 2010)
Regie: Nicolas Winding Refn
Darsteller: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Bryan Cranston, Albert Brooks, Oscar Isaac, Christina Hendricks, Ron Perlman
DVD-VÖ: 29. Juni 2012, Universum Film

httpvh://youtu.be/P9yB4LUVeCI

Fred

Fred ist 32 Jahre, wohnt in der Pop-City Damstadt und mag Hunde, Pizza und Musik.

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