SALLY ROONEY – Gespräche mit Freunden


Foto-© Klaus Holding / Luchterhand

Die irische Schriftstellerin Sally Rooney ist zumindest in der englischsprachigen Literaturwelt schon so etwas wie die Newcomerin der letzten Jahre, sowohl von der New York Times als auch dem Independent oder der Sunday Times gefeiert und ihr zweiter Roman Normal People stach in 2018 sogar Michelle Obamas Autobiografie als Buch des Jahres in Großbritannien aus. Doch was hat es mit der neuen Stimme der Generation oder wahlweise auch der wichtigsten Stimme der Millennialliteratur (Independent) auf sich?! Zur deutschen Erstveröffentlichung von Gespräche mit Freunden im Luchterhand Literaturverlag haben wir uns den Debütroman von Sally Rooney vorgenommen.

Frances ist Studentin in Dublin, Scheidungskind, 20 Jahre alt, hübsch, intelligent und solo. Gemeinsam mit ihrer besten/Ex-Freundin Bobbi tritt sie bei Spoken-Word-Events auf und hat sich in der örtlichen Szene damit schon einen Namen gemacht – was die 37-jährige Journalistin und Fotografin Melissa auf sie aufmerksam macht. Sie lädt die beiden zu sich nach Hause ein und während sie mit Bobbi zu flirten beginnt, baut sich zwischen Frances und Melissas Mann Nick eine Spannung auf, die in einer Affäre mündet. Doch auch wenn sie zusammen eine gute Zeit haben, liebt Nick noch seine Frau, wobei es Frances stört, dass sie dieser Fakt stört. Ist sie nicht frei, jung und alternativ und findet ihre eigenen Wege und Wahrheiten?

Die heutige Jugend ist so aufgeklärt wie keine zuvor, hat alle Möglichkeiten und versucht immer ihre eigenen Wege zu gehen – egal ob es um Kommunikation, Beziehungsformen, sexuelle Identität, Meinungen zum Weltgeschehen oder allgemein alles, aus ihrer Gefühls- und Wahrnehmungswelt geht. So ist Frances hoch gebildet, sensibel, selbstbewusst, hat eine starke Persönlichkeit und ein klares Weltbild – um aber im nächsten Moment alles zu hinterfragen, unsicher zu sein und unfähig mit ihren Gefühlen umzugehen. Ihr Verhältnis zu ihren Eltern, besonders zu ihrem Vater ist gestört und als es ihr schlecht geht ist sie auf einmal komplett allein – auch wenn sie mit Internet, Handy, Mails und Co so vernetzt ist wie wahrscheinlich wenige Generationen vor ihr.

Während das Grundgerüst der Geschichte von Sally Rooneys Roman gefühlt schon sehr oft da war, ist es ihr unverblümter Schreibstil, der auch komplett auf die Abgrenzung von gesprochenem Wort zu Erzählung oder Gedachten verzichtet, der einem kaum mehr losläßt und einem das Buch nicht mehr aus der Hand legen lässt. Zuerst wirkt ihr Stil dabei schroff, die Sätze einfach flapsig auf die Seite geworfen, geradezu roh und auch die Form lässt einen teilweise zu Beginn erstmal Sätze mehrfach lesen. Doch nach wenigen Seiten schon ist man ganz diesem Stil verfallen und entdeckt an jeder Ecke neue Facetten an den Figuren, die sich irgendwie mit aller Macht aus vorgefertigten Charakter-Schablonen heraus entwickeln wollen, um dann im nächsten Moment zu stolpern, auseinander zufallen und alles in Frage zu stellen. Nicht zu unrecht wird Rooney daher auch immer wieder mit der amerikanischen Produzentin, Autorin und Darstellerin Lena Dunham verglichen, deren Figuren in ihrer HBO-Serie Girls ähnlich unperfekt ihren eigenen Weg suchen und deren Weg auch immer wieder gerade auch durch das Scheitern charakterisierend wird. Somit ist Gespräche mit Freunden eine kleine Geschichte voller Hürden, Emotionen und der Suche nach dem ganz eigenen Weg zum Glück, mit Umwegen.

Sally Rooney – Gespräche mit Freunden
Gebundene Ausgabe, 384 Seiten
ISBN: 978-3630875415
VÖ: 22. Juli 2019, Luchterhand Literaturverlag
20,00€

Dominik

Bedroomdisco-Gründer, Redaktions-Chef, Hans in allen Gassen, Golden Leaves Festival Booker, Sammler, Fanboy, Exil-Darmstädter Wahl-Hamburger & happy kid, stuck with the heart of a sad punk - spreading love for great music since '08!

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