JUDY – Filmkritik

I just want what everybody wants. I seem to have a harder time getting it.

(Judy Garland – Judy)

Nach fast 30 Jahren in Hollywood steht die einst gefeierte Jungschauspielerin Judy Garland (Renée Zellweger) kurz vor dem Existenzminimum. Sie reist von Show zu Show um sich das nächste Hotelzimmer für die Nacht finanzieren zu können. Hollywood selbst und die großen Studios, die sie einst zu einem Star erhoben haben, ließen sie fallen, da sie in fast jeglicher Hinsicht als zu labil bezeichnet wird. Die Erinnerung an ihren Ruhm und ihre Stimme sind das einzige, was ihr und ihren Bewunderern geblieben sind. Um ihren Kinder ein sicheres Heim und Stabilität bieten zu können, reist sie 1968 zunächst widerwillig nach London um dort in einem renommierten Theater fünf Wochen lang aufzutreten und somit eine finanzielle Grundlage aufzubauen. Ohne ihre Kinder wird sie jedoch immer mehr zu einem seelischen Wrack und das macht sich auch bei ihren Auftritten bemerkbar.

Judy Garland ist vor allem durch ihre Darstellung der Dorothy in dem von 1939 und im Laufe der Jahre zu Kultstatus erreichten Der Zauberer von Oz weltweit bekannt geworden. Sie wurde zu Hollywoods Version von dem liebreizenden Mädchen von nebenan und so wird sie zunächst auch im Biopic Judy eingeführt. Die junge Judy (Darci Shaw) steht vor märchenhaften und farbenfrohen Kulissen und dem Mädchen aus einfachem Haus wird die Chance gegeben eine große Karriere in Hollywood zu beginnen unter der Voraussetzung, dass sie alles tun muss, was das Filmstudio von ihr verlangt, denn es gäbe zahlreiche andere Mädchen aus einfachem Haus, die sie ersetzen könnten.

Der Kontrast zwischen dem Gezeigten und den Dialogen untermalt den eigentlichen Kontrast zwischen den Wahrnehmungen der Zuschauer und den tatsächlichen Geschehen hinter den Kulissen eines Filmes. So kristallisiert sich in weiteren Flashbacks heraus, dass die ruhmreichen Tage in Judys filmischer Laufbahn gar nicht so glorreich waren. Und diese – sowie sie selbst – haben ihren Kulminationspunkt in der filmischen Gegenwart bereits überschritten, in dieser das einzige farbenfrohe in der Karriere der Schauspielerin und Entertainerin ihre Kostüme sind. Judy wird als kaum lebensfähig gezeigt – bis sie endlich auf der Bühne steht und das tun kann, was sie augenscheinlich liebt. Weshalb sie dies tut, kommt jedoch nie zur Sprache. Sie hat einen gewissen Sinn für Humor nicht verloren und ist jederzeit voller Herzlichkeit für ihre Fans. Warum sie nun jedoch, als gestandene und vom Leben gezeichnete Frau, die letzten Jahre nach ihrem vor Jahrzehnten gefeierten Erfolg in Der Zauberer von Oz als eine der besten Entertainerinnen umschwärmt wird, wird bedauerlicherweise nicht eingehend gezeigt oder gar erläutert.

Renée Zellweger spielt Judy vor allem optisch als eine gebrochene Persönlichkeit, die versucht ihren Schmerz und ihre Hoffnungslosigkeit durch Alkohol zu unterdrücken. Was sie nun tatsächlich gebrochen hat und wie es dazu kam, wird nicht thematisiert – genauso wenig sich differenziert mit dem Menschen und Charakter Judy Garland auseinandergesetzt. Auch die emotionalen Momente zwischen Judy und ihren Kindern und ihre Anteilnahme als Mutter werden zwar kurz angerissen, aber finden nie einen überzeugenden Abschluss.

Für eine Filmbiografie eines doch so bekannten Stars wie Judy Garland werden letztlich zu viele Details und Informationen ausgelassen und der Fokus bloß auf die letzten Jahre der Schauspielerin gelegt, was ihrem gesamtem Lebenswerk nicht gerecht wird. Renée Zellweger zeigt wortwörtlichen Körpereinsatz in ihrer Rolle und versucht vor allem durch ihre Körperhaltung und ihre äußerst explizite und teilweise überzeichnende Mimik viel Gefühl zu vermitteln, das zumeist zu viel des Guten ist und recht theatralisch wirkt.

Diese filmische Umsetzung einer doch faszinierenden Lebensgeschichte erscheint sehr gediegen und obwohl versucht wird inszenatorisch so unkonventionell wie möglich zu sein, entsteht eine der konventionellsten Filmbiografien der letzten Jahre, die zwar eine trauriges Lebensschicksal aufzeigen möchte, der aber das Gefühl im Verlauf des Filmes abhanden kommt. So wie Judy fällt es dem Zuschauer mit jeder Minute schwerer, das zu bekommen, was er sich eigentlich von einem Biopic mit dem plakativen Titel Judy gewünscht hatte.

Judy (USA 2019)
Regie: Rupert Goold
Darsteller: Renée Zellweger, Rufus Sewell, Jessie Buckley, Finn Wittrock, Michael Gambon
Kinostart: 2. Januar 2020, Entertainment One Germany

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Helena Barth

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