FUTURE ISLANDS – As Long As You Are

Future Islands © Justin Flythe

Future Islands
Foto-Credit © Justin Flythe

Nobody gonna pick me up
I’m falling down
And I’m 5th Street Bound
Now nobody wanna fill me up
I’ve fallen down
None of my friends around

Seen it on the news
Looked like me and you
Did they hear me calling?

Blue water
Black rider
Keep on rolling
Keep on riding

(Future Islands Thrill)

Obwohl Future Islands im Jahr 2014 schon drei Alben veröffentlicht hatten, war es ein rund vierminütiger leidenschaftlicher Auftritt bei David Letterman, der das relativ unbekannte Quartett aus Baltimore auf alle Playlists des Jahres hievte. Die sehnsuchtsvolle emotionale Energie, der sonore Gesang von Samuel T. Herring und die synthesizergeschwängerten Rockbeats prägen auch die inzwischen sechste Platte der Band. As Long As You Are erscheint am Freitag bei 4AD. Die fünf Vorgängeralben handelten vom Suchen und Rastlosigkeit – passend zu einer dauertourenden Band, die über Nacht lernen musste, mit Erwartungsdruck, Versagensängsten und Erschöpfung umzugehen. In As Long As You Are geht es ums Ankommen, es geht um Vertrauen und um Liebe, aber auch um die Auseinandersetzung mit einer schwierigen Vergangenheit. Auch musikalisch setzt sich Liebe fest, man spürt, dass die Band sich dieses Mal mehr Zeit genommen hat fürs Recording, an den Details immer wieder gefeilt hat. Dabei übernahmen sie erstmals auch die Produktion (Co-Produzent ist Tontechniker Steve Wright) und wurden vom langjährigen Tour-Drummer Mike Lowry als vollwertiges Bandmitglied unterstützt.

Auch wenn es auf dem aktuellen Album eher um das Ziel als um die Reise geht, ist die Band den Wassermetaphern treu geblieben, die schon ihre früheren Werke ausmachten. Der Openingtrack Glada beginnt mit Gänseschreien, Herrings unverwechselbare Stimme eher im Monolog als im Gesang berichtet ruhig über seine Überlegungen zum Thema Selbstwert und die Erkenntnis, Liebe zu verdienen und bedingungslos lieben zu können: „Do I deserve the sea again?“ Der zweite Track For Sure macht pulsierend deutlich, dass es sich nicht ausschließlich um ein Leisetreteralbum handelt. Den vollen tanzbaren Sound haben sie sich trotz aller inneren Ausgeglichenheit zum Glück bewahrt und verfeinert. Future Islands klingen dicht, aber nicht verspielt, die Songs stecken voller unerwarteter Wendungen und groovigen Basslinien vor schwebenden Synthesizern – besonders schön zu hören auf Born In A War. Das ebenfalls sprudelnde Waking schafft außerdem einen Platz für introspektive existentielle Überlegungen: „I’ve been sitting here thinking / What’s my purpose? / What’s the meaning?” Die entrückte Präzision von Gerrit Welmers Synthesizern ist bei I Knew You zu spüren, das auf wundersame Weise nach Weltall klingt. Wie in City’s Face reflektiert hier ein ernster Herring über seine toxische Vergangenheit. Dabei trägt er bei letzterem die Lyrics über einem ruhigen Synthiegroove vor, die reduzierte Art des Gesangs verleiht allem eine ruhige Dringlichkeit: „I believed, for too long / What you did to me, wasn’t wrong / I grew to hate you / And this place too.“ Das allgemeine Tempo der Songs ist wesentlich langsamer als man es von Future Islands gewöhnt ist. Das führt zu einer ausgefeilten Komplexität. Trotzdem geht der besondere Charakter der Band nicht verloren. Die Singleauskopplung Thrill ist eine herzzerreißende Ballade und versprüht dennoch eine gewisse Lieblichkeit, die das Gefühl des Fallens und des Alleinseins noch tiefer in die Seele pflanzt. Am Ende der Platte steht mit Hit The Coast (wieder Wasser!) die Erkenntnis, dass es manchmal besser ist, zu gehen und darauf zu vertrauen, dass das Richtige da draußen wartet.

Herring sagt über As Long As You Are es sei ihr „best sounding record ever“. Das kann man so unterschreiben. Die großen Hymnen wurden durch Balladen ersetzt, die Rückschau verwandelt sich im Laufe der Platte in einen Blick nach vorn. Die Rastlosigkeit ist einer Sicherheit gewichen, die keine Tiefe einbüßt. An einigen Stellen wäre etwas mehr mitreißender Antrieb schön gewesen. Trotzdem kann man sich in den Songs verlieren und dabei zuhören, wie ein zufriedenerer Herring gemeinsam mit seiner Band den zukünftigen Future Islands Sound erschafft. Und der ist wunderbar.


Future Islands – As Long As You Are
VÖ: 09. Oktober 2020, 4AD, Beggars, Indigo
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