DUMMY – Mandatory Enjoyment


Foto-© Dummy

Years spent mining the obscure
What are they worth?
A couple hundred bucks a week
Scattered infinitesimally

(Dummy – Punk Product #4)

Für einen Sound, der anderen Bands erst im dritten Anlauf das Prädikat „perfektioniert“ einbringt, haben Dummy einen ziemlich kurzen Weg hingelegt: Seit Ende 2018 spielen Emma Maatman, Alex Ewell, Joe Trainor und Nathan O’Dell zusammen, statt Live-Konzerten brachte das letzte Jahr zwei EPs – und schon steht da ein Debüt-Album, das bei aller psychedelischen Luftigkeit ziemlich abgebrüht klingt.

Als hätte ein Glitch die saubere Nutzer*innenoberfläche deines Streaming-Anbieters zerlegt und alle artsy dreamy Lieblingssongs durcheinandergeschüttelt, ist statt einem schillernden digitalen Scherbenhaufen nur noch ein einziges Album übrig: Mandatory Enjoyment klingt streckenweise, als hätten Stereolab in ihrem beachtlichen Katalog ein ausgezeichnetes Album voller Dots and Loops gefunden und, passend zur Wiedervereinigung 2019, nun heimlich den ausgezehrten Anhänger*innen des Les Yper-Sound untergejubelt. Manchmal wird es wehmütig, wenn die verwunschenen Songs von Broadcast und ihrer viel zu früh verstorbenen Sängerin Trish Keenan durch die Schredder-Gitarren scheinen. Und dazwischen finden sich motorische Grooves, die vorherige Doom-Metal-Sängerin Maatman an einer Spacemen-3-Gedächtnis-Orgel und Versatzstücke japanischer Ambient-Experimente, von denen mich mein YouTube-Algorithmus schon seit Monaten zu überzeugen versucht.

Das Quartett aus Los Angeles verhehlt seine Referenzen nicht: Wer will, kann sie nicht nur heraus-, sondern dank der entsprechenden Spotify-Playlist auch nachhören. Angesichts so unverhohlener Freude mögen Autor*innen von (Anti-)Retromania-Manifesten in Schnappatmung geraten, dabei liefert das Album einen Erfolgsbeweis ab: Nicht nur für Dummy, denen beim Einstudieren ihrer Vorbilder die Freude hörbar nicht verloren gegangen ist, sondern eben für all die etwas verkannten Randerscheinungen von Bands. Ob elektrischer Bossa-Nova aus Frankreich oder asiatischer Art-Rock der 80er – sie alle halten sich so unnachgiebig wie die x-te Auflage des sanften/kratzigen Singer/Songwriters und der Lederjacken-tragenden Gitarrenband.

Dass im Jahr 2021 Dummy jetzt also den hundertsten Versuch starten, die andere, eher diamantbesetze Hälfte des Pop-Himmels zu beleuchten – geschenkt. Mandatory Enjoyment klappert nicht stur die Inspirationen ab, sondern kondensiert sie zu einem Album mit Sinn für Dynamik: Ein Song führt so selbstverständlich zum nächsten, dass die Band vom stürmenden Fissured Ceramics über das dahinwabernde Aluminium in Retrograde bis zum gut getimten Schlusspunkt von Atonal Poem spielend ihre Eigenleistung geltend macht. Spätestens beim übernächsten Stereolab-trifft-Silver-Apples-Revival sollten also selbstverständlich auch Dummy auf der „Influences“-Playlist stehen.

Dummy – Mandatory Enjoyment
VÖ: 22. Oktober 2021, Trouble In Mind Records
www.notdummy.bandcamp.com
www.instagram.com/notdummy

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