SHAHRIAR MANDANIPUR – Augenstern

Augenstern Buchkritik

Der iranische Schriftsteller Shahriar Mandanipur erzählt mit seinem neuen Roman Augenstern eine Geschichte über den Schrecken des Krieges und die große Liebe. Da Mandanipur als Soldat selber am ersten Golfkrieg teilnahm liegt die Vermutung nahe, dass sein Roman zumindest teilweise autobiografische Züge trägt.

Amir entstammt einer wohlhabenden und frommen Familie. Er selbst kehrt sich, zum Entsetzen seines Vaters, vom Glauben ab und wählt einen hedonistischen Lebensstil, der durch Alkohol, Drogen und Sex geprägt ist. Von diesem Lebensabschnitt ist ihm nach seiner Rückkehr aus dem iranisch-irakischen Krieg nicht mehr viel geblieben. Der Krieg hat ihn nicht nur einen Arm gekostet, sondern auch seinen Verstand und seine große Liebe. Aus purer Verzweiflung begibt sich Amir auf die Suche nach seinem auf dem Schlachtfeld verlorenen Arm. In der Hoffnung daran den goldenen Verlobungsring zu finden, der beweist, dass seine große Liebe – sein Augenstern – nicht nur ein Streich seiner durch den Krieg irrgeleiteten Fantasien ist.

Die eigentlichen Erzähler des Romans sind die Schreiber-Engel, die in islamischer Tradition Amirs gesamtes Leben begleiten. Rechts und links auf den Schultern sitzend, zeichnen die Engel bis zum Lebensende alle guten und schlechten Taten eines Menschen auf. Vor dem Jüngsten Gericht entschieden diese Aufzeichnungen über den Eintritt in das Paradies oder in die Hölle. Die Schreiber-Engel unterteilen Amirs Leben in drei Ebenen: den Schürzenjäger in jungen Jahren, den Kriegssoldat im Schützengraben an der Front und den zerrütteten Kriegsveteran auf der Suche nach seinen Erinnerungen. Stück für Stück vereinen sich die einzelnen Fragmente zu Amirs Schicksal, dass im Verlauf des Romans zunehmend vielschichtiger wird.

Shahriar Mandanipur ist es gelungen eine Lebensgeschichte zu erzählen, die stellvertretend für viele Schicksale steht, die den Sturz des Schah-Regimes, den iranisch-irakischen Krieg, sowie die Gründung der islamischen Republik miterlebt haben. In Augenstern verwebt Mandanipur ein Kriegsdrama mit einer Liebesgeschichte und schafft dabei ein einnehmendes Portrait eines Landes, dessen Realität man sich nicht entziehen kann.

Shahriar Mandanipur – Augenstern
VÖ: 16. März 2020, Unionsverlag
448 Seiten, Taschenbuch
ISBN 978-3-293-00557-0

Vanessa Hänf

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