TEMPLES – Exotico


Foto-© Molly Daniel

Ring the sound we long to hear
Rising through the atmosphere
Listen well and hear their call tonight

You hear them shout
You hear them shout

I hear them every night
They echo into sight
They sound the symphony
A song so deafening
They circle far and wide
And in your mind define
Beneath the hollow sun
Cicada has begun

(Temples – Cicada)

Das Psychedelic-Rock-Revival der vergangenen Jahre hat einige tolle Bands hervorgebracht: aus den USA die immer mal am kommerziellen und experimentellen Wahnsinn entlangschrammenden Flaming Lips von Wayne Coyne; von “Down Under” die zum Pop tendierenden Australier Tame Impala um Mastermind Kevin Parker; und aus dem UK das hochtalentierte Quartett Temples. Mit ihrer vierten Studioplatte Exotico versuchen die Jungs aus dem zentralenglischen Kettering nach einer kreativen Flaute wieder in die Spur zu kommen. Es gelingt zu großen Teilen – auch wenn der besondere Reiz des knapp zehn Jahre zurückliegenden Klasse-Debüts Sun Structures sich noch nicht wieder einstellen mag.

Dabei war die Ausgangslage für Temples ideal: Sänger/Gitarrist James Bagshaw, Bassist Tom Walmsley, Keyboarder/Gitarrist Adam Smith und Schlagzeuger Rens Ottink ließen ihr vermutlich entscheidendes Album von einem Experten für psychedelisch angehauchte, an den mittleren bis späten Sixties orientierte Popmusik produzieren. Genauer gesagt sogar vom Abkömmling eines Miterfinders dieser Stilrichtung: Sean Lennon, der längst selbst berühmte Musiker-Sohn des Künstlertraumpaars John und Yoko und zuletzt im Projekt The Claypool Lennon Delirium mit dem tollen Psych-Rock-Album South Of Reality (2019) aufgefallen.

Die Kernkompetenzen des inzwischen auch schon 47-jährigen Studiotüfters und Multiinstrumentalisten aus New York waren also bei seinen britischen Auftraggebern gefragt und wirkten auch durchaus belebend für Temples. Zwar sind mit den 16 Exotico-Tracks ein paar zuviel an Bord – wie eigentlich immer bei einer solchen Materialfülle. Doch dafür können die Temples unter Sean Lennons Studioregie die hinlänglich bekannte Formel für ultraharmonische, leicht umnebelte, bunt schillernde Popsongs ausreizen. Ein besonders hübsches Beispiel ist Cicada, das wie eine angeschrägte, exotische Mischung aus indischer Musik und italienischem Filmscore daherkommt. Auch Oval Stones und Slow Days führen Stilelemente zusammen, die unter weniger kundiger Anleitung wohl zu einer wüsten, disparaten Mixtur verkommen wären.

Gelegentlich haben Sean Lennon und die Temples ihre Retro-Reise etwas zu schematisch angelegt, aber meist funktioniert sie – etwa im tollen Opener Liquid Air oder in der bis zu den nasalen Vocals konsequenten John-Lennon-Hommage Time Is A Light. Gemixt wurde Exotico übrigens von einem weiteren Experten für neopsychedelische Rockmusik: Dave Fridmann erwarb sich in dieser Hinsicht bereits Verdienste um Mercury Rev, Beach House oder MGMT – und auch um The Flaming Lips sowie Tame Impala. Die Temples haben also an nichts gespart, um ihrer Musik einen neuen Schub zu verpassen. Zu den ganz großen Werken der hier erwähnten Sixties-Adepten schließt Exotico jedoch nicht auf.

Temples – Exotico
VÖ: 14. April 2023, ATO
www.templestheband.com
www.facebook.com/templesofficial

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Werner Herpell

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