SQUID – O Monolith


Foto-© Alex Kurunis

All those cameras from up high
they make you grey.
You‘ve lost your mind through thick black smoke
pissing in the street
avoiding all the people that you‘d wish to meet someday
oh someday.

(Squid – The Blades)

Wer hören will, muss lesen. Aus diesem Grund liegt in der Vinyl-Ausgabe der neuen Squid ein Beiheft mit einer Kurzgeschichte von Paul Ewen. Beiträge des Autors stehen sonst in den Magazinen Tank und Dazed & Confused. Dieses Mal geht es um einen Lehrer, der altmodisch Tafel und Schreibwerkzeug mitnimmt und in Brighton in einer Live-Venue namens Chalk (= Kreide) landet. Ewens Hauptperson fragt einen Fan, um welchen Sound es bei Squid geht. Antwort: „They tend to get classified as post-punk, but you could say they‘re also experimental rock, or post-rock. They‘re like a guitar band, but with an electronic section, and also a brass element.“ Damit wäre das geklärt.

In der realen Welt kennt man die Band seit 2019. Produzent der EP Town Centre war Dan Carey, er veröffentlichte den 4-Tracker auf seinem Label Speedy Wunderground. Wegen dieser Connection dachte man an den Windmill-Pub in Brixton und eine Szene, aus der black midi und Black Country, New Road hervorgegangen waren. Carey saß auch bei den Sessions zu O Monolith an den Reglern. Abgemischt hat John McEntire (Tortoise). Aufgenommen wurde in Peter Gabriels Real World Studios im Westen Englands. Dort lernte man Roger Bolton kennen, der den Fairlight CMI programmiert, einen in den Achtzigern sehr beliebten digitalen Synthesizer mit Sampler. Wenn man den Fairlight mit anderen Synths koppelt, ist fetter Sound garantiert. Es tönt dann nicht unbedingt so, wie man es im Indie-Land erwartet. Hach.

Die neuen Songs entstanden im Frühjahr 2021 auf der Bühne. Nach der Pandemie waren Konzerte wieder möglich, trotz der vorgeschriebenen Distanz zwischen allen Anwesenden fühlten sich die fünf Musiker um Sänger/Schlagzeuger Ollie Judge inspiriert. Sie ließen los, improvisierten. Im Studio ging die Experimentierfreude nicht verloren. Sound, Stil und Struktur ändern sich ständig. „We‘re waking up to straight lines, we float away, bye bye“, heißt es in Swing In A Dream. Träumerisch wirkt es nicht. Beunruhigung wird mithilfe von Math Rock verstärkt. Während des Jazz-Breaks kann man durchatmen. In Devil‘s Den registriert man größere Nähe zum britischen Folk. Am Ende wird Ollie nervös, hyperventiliert er ob des verdammten Teufelswerks. Im Siphon Song glaubt man, dass sich Miles Davis und Mogwai dem Inferno entgegenstellen. Dann hört man Groove und Funk-Gitarre in Undergrowth. So würden Talking Heads im Jahr 2023 klingen.

Während der sechseinhalb Minuten in The Blades denkt man an Paranoid Android. Ollie ist aufgebracht, Momente später sprechsingt er wie Aidan Moffat. Er kann sich zügeln, fährt sein Shouting zurück, das ihn bekannt gemacht hat. Die Botschaft geht nicht in eine Richtung. Man erkennt Hinweise auf den Beobachtungsstaat, Kritik an Tierversuchen, Ermüdung ob des Gefangenseins in der Netzrealität. Natürlich geht es um die Umwelt. NO GREAT FUTURE AWAITS YOU ON A DEAD PLANET lässt Ewen in seinem Text in Versalien wissen. Sonst bleibt viel Raum für Interpretation. Da sind Squid im Vergleich zu artverwandten Bands klar im Vorteil. Bei anderen hat sich der Eindruck nach ein paar Platten verfestigt, weiß man, worum es geht. Hier ist alles freiläufiger, nichts starr umrissen. Man lauscht interessiert, findet mit jedem Hören Nuancen. Schlaue Band.

Squid – O Monolith
VÖ 9. Juni 2023, Warp
www.squidband.uk
www.facebook.com/squiduk

Squid live:
02.07.23 Larz, Fusion Festival
05.09.23 Köln, Die Kantine Biergarten
09.09.23 Hamburg, KNUST
13.09.23 Berlin, Festsaal Kreuzberg
15.09.23 Leipzig, UT Connewitz

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