CASPER – nur liebe, immer.


Foto-© Chris Schwarz

Emma, Emma
Emma, Emma, Emma, ey
Emma, Emma
Emma, Emma, Emma, ey
Emma, Emma
Emma, Emma, Emma, ey
Emma, Emma
Emma, Emma, Emma

(Casper – emma)

Es ist doch etwas überraschend, dass zu einer Zeit, in der jegliche Barrieren zwischen Rap und Rock – beziehungsweise eigentlich allen anderen Stilen und Kultureinflüssen – eingerissen sind, einer der Pioniere des [Hier-Genre-Einfügen]-Raps im deutschen Sprachraum sein Gespür für Genre-Diffusion verloren hat.

Einst als Gegenentwurf zum Gangster-Rap gepriesen, reicht sich Casper spätestens jetzt mit diesem die Hand, nämlich um 16 Uhr am Samstag auf der „Jugend“-Radiostation eurer Wahl. So austauschbar ist leider die neue Platte nur liebe, immer.. Überraschend ist das darüber hinaus auch, weil es nicht einmal zwei Jahre her ist, dass mit Alles war schön und nichts tat weh ein einigermaßen würdiger Nachfolger zum fantastischen Lang lebe der Tod (2017) erschienen war.

Jetzt also Tabula rasa, nicht zu viel wagen, nicht zu viel Konzept, dafür sommer mit Cro. Positiv könnte man sagen, nur liebe, immer. ist vielfältig. Von schlanken Tracks à la Battle-Rap über Pop-Hits mit dem genannten Bali-Exilanten bis hin zu Gitarrenballaden ist alles dabei. Für sich genommen haben alle Spielarten auch ihre Stärken. So ist die zweite Hälfte des Openers echt von unten / zoé freestyle dynamisch und spielt mit einem interessanten Beat. Dafür ist die zum sechstausendsten Mal aufgewärmte Kindheitsgeschichte Caspers („Ich komm’ von unten, echt von unten, nicht so „Mittelklasse, beide Eltern perfekt“-von-unten, Mann, echt von unten“) im restlichen Song fast unerträglich. Es ist ein schlechtes Omen für die – überschaubaren – Inhalte der nächsten halben Stunde.

Bis zum nächsten Aufhorch-Moment dauert es nämlich eine Weile. Musikalisch kommt so gut wie alles in der ersten Hälfte des Albums aus der Dose und ist einfallslos zusammenproduziert. Ausgerechnet der poppigste Pop-Song emma holt einen wieder rein, ein wenig mit seinen liebevollen Strophen, aber vor allem wegen der etwas zu wenig ironischen Hommage an Rihanna’s Umbrella, das vom anderen Ende des Refrains grüßt.

falsche zeit, falscher ort packt dann alle Probleme dieses Albums in einen Song. Die Lyrics bestehen nur noch aus Nostalgie-triggernden Selbstreferenzen von Hinterland über das obligatorische „Wir waren da“ bis zu – natürlich – Arminia Bielefeld. Dazu wird ein völlig absurder David-Guetta-2008-Beat serviert, der aus diesem Best-of eine Partyhymne (?) machen soll. Hier stimmt einfach gar nichts.

Ganz zum Ende wird es dann jedoch versöhnlich. luft holen ist mit der Kombination aus Selbstzweifeln und aggressivem Charakter ein klassischer Casper, damit zwar auch nicht neu, aber dynamischer als viele der anderen Rap-Cuts. Und den Schluss bildet mit verliebt in der stadt die es nicht gibt die zweite Bielefeld-Hommage, diesmal aber geschmackvoller. Gut möglich, dass dies einer der Casper-Tracks mit der größten Halbwertszeit wird. Natürlich ist die Ballade kalkuliert, doch die Lead-Gitarre mit der Ohrwurm-Hook machen ihren Job: „Ich war zum ersten Mal verliebt, In der Stadt, die es nicht gibt, Egal, wohin es mich auch zieht, Weiß ich, dass ein Teil von mir für immer bei dir liegt.“

Beim Outro (das ebenso wie das Intro eigentlich einen schönen atmosphärischen Teppich unter das Album hätte legen können – mit zerbrechlichem Optimismus, den Casper ins Zentrum stellen will) hat man noch einmal Zeit, über das nachzudenken, was dieses Album hätte sein können.

Zum Beispiel Caspers Gitarre-auf-den-Rücken-schnall-und-durch-die-Straßen-Bielefelds-zieh-Album, eine letzte Kindheitshommage – passend zum Albumcover. Oder ein knackiges Zurück-zum-Rap-Chart-Erfolg-Album nach den musikalischen Exkursen der letzten 5-7 Jahre. Beides ist es nicht so wirklich, und so bleiben vor allem ein paar einzelne schöne Momente und Liebe. Immer. Ein wenig bewundern kann Benjamin Griffey ja für seine unerschütterliche Botschaft in diesen Zeiten.

Casper – nur liebe, immer.
VÖ: 24. November 2023,EKLAT Tonträger
www.casperxo.com
www.facebook.com/casperxo

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Phillip Kaeding

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