OISIN LEECH – Cold Sea


Foto-© Ellis Grace

I was far from my mind
I was so far behind
with the autumn light
in my eyes

I was rolling home
adrift and alone
late for the day
like a skimming stone

October sun
what have you done
you’ve made a fool
of each and everyone

(Oisin Leech – October Sun)

Es ist ja nicht so, dass der Musikstil von Oisin Leech irgendwie spektakulär oder gar der letzte heiße Scheiß wäre. Im Gegenteil: Der Ire macht zarten Folk, wie man ihn praktisch seit den Sixties von sensiblen jungen Männern und Frauen mit akustischen Gitarren hört – angefangen bei Bob Dylan, Joni Mitchell und Nick Drake, um nur drei Säulenheilige des Genres zu nennen.

Aber irgendwas hebt die Lieder von Oisin Leech dann eben doch deutlich über den biederen Durchschnitt eines Mike Rosenberg (Passenger) oder James Blunt hinaus. Vermutlich die geheimnisvoll regenverhangene, “irische” Atmosphäre, die Lieder wie Colour Of The Rain, One Hill Further oder Empire prägt. Und die nie auf Überwältigung angelegten Arrangements, die Leechs zurückhaltende Vocals etwa im wunderschönen Opener October Sun perfekt in Szene setzen.

Jedenfalls wird Leech praktisch seit seinem Auftauchen in der Szene im vorigen Jahr einhellig bejubelt, und sein Debüt Cold Sea heimst in der Heimat und im UK nun ebenfalls bereits Hymnen jenseits der Acoustic-Folk-Nische ein. “An artistic triumph…great vocals, superbly crafted, an irresistible gem”, schreibt beispielsweise das Magazin Record Collector, andere Pop-Kritiker charakterisieren das Album als “beautiful” und “timeless”.

Cold Sea, ein mit knapp 30 Minuten sehr kompaktes Werk, wurde vom renommierten Folkrock-Musiker Steve Gunn aus Brooklyn produziert, außerdem spielten Asse wie der US-Gitarrist M. Ward und Dylan-Bassist Tony Garnier mit. Die Aufnahmen fanden bei Donegal im Nordwesten Irlands “in einem alten, dem Meer zugewandten Schulhaus statt, das Leech und Gunn für einige Tage in ein Arbeitsstudio verwandelten”, wie das Label berichtet.

“Mein Ziel war es, eine Sammlung von Songs zu schreiben, die eine komplette Geschichte erzählen, und sie in der Nähe des Meeres aufzunehmen, wobei ich das Meer als eine Art Spiegel benutzte, in dem sich die Songs spiegeln”, sagtt Leech. Und ja, man kann die traditionelle Umgebung in seinen Liedern tatsächlich spüren, was die oben gestellte Frage nach dem Zauber dieser stillen Musik wohl teilweise beantwortet.

Gunn, ein unermüdlicher, auch experimentierfreudiger Meistergitarrist, erinnert sich ebenfalls an eine heilsame Wirkung der Sessions mit Leech: “Ich landete todmüde auf dem Dubliner Flughafen und spürte, wie ich mich beruhigte, als wir direkt vom Flughafen zur Küste fuhren. Ich starrte aus dem Fenster und war dankbar. Wir hielten unterwegs an, um unsere Ausrüstung zu holen, und von da an ging es los. Pure Magie.” Das Ergebnis Cold Sea spiegele “die Landschaft und die Woche, die wir am Meer verbracht haben, wunderbar wider”.

Der Ire gibt das Kompliment an seinen US-Produzenten zurück: “Ich liebe den Raum, den Steve Gunn im Sound gelassen hat. Er hat die Songs atmen lassen.” Auch das stimmt. Doch wie so oft bei richtig gutem Folk, offenbaren die Lieder von Oisin Leech ihr Geheimnis eben nicht sofort – und auch nicht jedem. Das bescheiden auftretende Debütalbum Cold Sea hat aber offensichtlich das Potenzial, von viel mehr Menschen als ursprünglich erwartet innig geliebt zu werden.

Oisin Leech – Cold Sea
VÖ: 08. März 2024, Outside Music
www.oisinleech.com
www.facebook.com/p/Oisin-Leech-100094089766273

YouTube video

Werner Herpell

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