WOMEN WITHOUT MEN – Filmkritik

Was ist das in den Menschen… dass ihr Hunger alles frisst? Das Licht, die Luft und die Stille.

(Munis/Zarin – Women Without Men)

Women Without Men’ ist das Regie-Debüt der iranisch-stämmigen Künstlerin Shirin Neshat, zu deren bekanntesten Arbeiten die polarisierende Fotoserie ‘Women of Allah’ gehört. Ihr Film erzählt die Geschichte des gleichnamigen Buches von Shahrnush Parsipur, das vier exemplarische Frauenschicksale im Iran der 50er Jahre zur Zeit des Militärputsches nachzeichnet

Zunächst lernen wir Munis kennen, eine junge Frau aus Teheran, deren Leben sich unter der Fuchtel ihres gewalttätigen Bruders abspielt und die versucht ihrem drögen Alltag zu entfliehen, indem sie sich einer Aktivistengruppe anschließt. Ihre Freundin Faezeh, gespielt von Pegah Ferydoni, kann nicht verwinden, dass Muni´s Bruder eine Andere als künftige Ehefrau gewählt hat und sucht zusammen mit ihrer Freundin Zuflucht in einem Anwesen mit geheimnisvollem Garten. Dort hat sich bereits die ältere Fakhri niedergelassen, um den wiederholten Demütigungen ihres langjährigen Ehemanns, einem angesehenen General, zu entfliehen. Schon bald stößt auch die stark traumatisierte Prostituierte Zarin zu dem Trio, die nach ihren Erlebnissen im Bordell verstummt ist.

Damit ist die Rahmenhandlung schnell erzählt. Wesentlich mehr Raum nehmen hingegen die beiden Hauptgestaltungselemente ein: Neben dem ‘Magischen Realismus’ Neshats, der insbesondere in der Geschichte von Munis zum Tragen kommt, die nach ihrem Sebstmord in der Eröffnungssequenz später wiederaufersteht, bezaubern vor allem die märchenhaften Bilder. Sie erinnern an nachkolorierte Fotografien aus dem 19. Jahrhundert und sind teilweise im Stande, weitaus mehr zu berühren als es die bloße Handlung zu tun vermag: Da wäre zum Beispiel die Aufnahme der verstummten Zarin, die rückwärts in einem verwaisten, mit Seerosen übersäten See des verwunschenen Gartens treibt. Nur allzu schnell weckt diese Szenerie Erinnerungen an John Everett Millais berühmtes Gemälde der toten Ophelia aus Hamlet, die als Opfer patriarchaler Strukturen dem Wahnsinn erlag und sich schließlich das Leben nahm.

Die größte Schwäche des Films ist jedoch, dass die vier Protagonistinnen zu schemenhaft angerissen werden; trotz ihrer vielfältigen Schicksale hält sich die zu erwartende Empathie weitgehend in Grenzen. Zu vage bzw. im Falle von Munis drastisch fallen auch Neshats Lösungsvorschläge zur Befreiung aus den jeweiligen Abhängigkeitsverhältnissen aus. Die Männer ihrerseits sind zur bloßen Staffage degradiert, namenlose Nebendarsteller, die trotz ihrer tragenden Rollen im Leben der Frauen farblos bleiben. Ähnlich verhält es sich mit den politischen Geschehnissen, denen man ebenfalls mehr Entfaltungsspielraum gegönnt hätte. So ist der Film zwar allein aufgrund seiner Bildgewalt sehenswert, dennoch bleibt eine gewisse Enttäuschung über den fehlenden Tiefgang nicht aus.

Women Without Men (2009)
Regie: Shirin Neshat, Shoja Azari
Darsteller: Shabnam Toloui, Pegah Ferydoni, Arita Shahrzad, Orsolya Tóth, Mehdi Moinzadeh
DVD-VÖ: 10. März 2011, Euro Video

httpvh://www.youtube.com/watch?v=6CoNP6lm3RI