ADA LEA – one hand on the steering wheel the other sewing a garden


Foto-© Monse Muro

Still reeling from last night’s activities
Too many friends, too much wine
And this cab is moving too slowly down parc avenue
It’s 3 pm, Paris time

(Ada Lea – partner)

Alexandra Levy aka Ada Lea schaut nach vorne – jedoch nicht ohne zugleich auch einen Blick zurückzuwerfen. Eine gewisse Ambivalenz oder vielleicht auch einfach nur ein Talent fürs Multitasking zieht sich so durch den Titel ihres sophomoren Albums one hand on the steering wheel the other sewing a garden, das bei Saddle Creek erscheint. Der Nachfolger ihres Debüts what we say in private aus dem Jahr 2019 entfaltet sich auch musikalisch zwischen zwei Polen: Da wären einerseits die kathartischen Folk-Pop-Songs im gemächlichen Schritttempo. Und im Kontrast die oftmals immer noch schmerzlich rückblickenden Stücke, die man so schwer abschütteln kann,

Mit vorläufigen Demoaufnahmen festgehalten, schrieb Levy die neuen Songs in einer Künstlerresidenz in Banff, Alberta – einer kleinen Ortschaft in Kanada – bevor nach weiteren Skizzen des Albums dann mit Produzent/Engineer Marshall Vore (Phoebe Bridgers), der auch bereits an ihrer EP woman, here aus dem letzten Jahr gearbeitet hatte, die finale Version in Los Angeles aufgenommen wurde. Ein langer Spaziergang zum Tonstudio jeden Morgen wurde zur Routine, auf welche dann Sessions um Vores Expertise in Sachen Songwriting und auch dem Schlagzeug-Spiel einflossen – und das hört man direkt mit dem wundervollen Opener damn. Levys bereits außergewöhnliches Gespür für Harmonien wurde auf diese Weise geschickt intensiviert. Auf ein federleichtes Bett aus gezupften E-Gitarren und Orgelsounds gelegt, entwickelt der Song spätestens zum Refrain einen herzzerreißenden Sog – bittersüß serviert mit Textzeilen wie “Damn the song that’s spinning and trying to lift us up / But it only drags us down” handel das Stück von einer verfluchten Silvesterparty.

Inhaltlich lebt und spielt das Album in Montreal, der Heimatstadt der Musikerin, sodass jeder Song als Pinnnadel auf einer ganz persönlichen Karte der Stadt fungiert, in der Levy aufwuchs. Gepaart wird das Schwelgen in bedeutsamen Erinnerungen mit einer weiten Klangpalette aus Soft-Rock, Art-Pop und immer wieder aufblühenden Lo-Fi-Sounds. So liefert das Stück can’t stop me from dying den Soundtrack für den Alltagstrott in der Stadt zwischen Job und Apartment. Untermalt von schimmernden Gitarren und einem groovigen Bass könnte dem Song durchaus der Zeitsprung aus den 80er-Synthpop-Jahren geglückt sein. Das neben damn ebenfalls als Vorab-Single ausgewählte Stück partner bewegt sich in die zuvor erwähnte folkigere Ausrichtung des Albums und erinnert ein Stück weit an Conor Oberst-typische Gesangsart und den Bob Dylan der 1990er. “Won’t you admit you’re giving up on me to quick”, fragt Levy hier in Gedanken an eine verflossene Liebe und setzt somit die Pinnnadel ganz klar auf eine Herzschmerz-Erinnerung in ihrer Stadt.

Levy legt bewusst höchst persönliches Storytelling in den Mittelpunkt ihres zweiten Albums, um kleine Geschichte eines vergangenen Jahres in ihrer Heimatstadt zu erzählen. Auf ganz fabelhafte Weise sind die Songs dabei geschickt instrumentiert und musikalisch ausgeschmückt – vom funkelnden Sound der 80er über folkige Einschübe oder auch mal modern und elektronisch. Das Besondere dabei: Trotz dieser Vielfältigkeit fließen die oft doch so unterschiedlichen Stücke auf diesem Album zu einem großen Ganzen zusammen. So ist es den Hörer*innen eine Freude sich für diesen unvergesslichen Tagtraum von Levy die Stadt der Erinnerungen zeigen zu lassen.

Ada Lea – one hand on the steering wheel the other sewing a garden
VÖ: 24. September 2021, Saddle Creek
www.adaleamusic.com
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Robert Heitmann

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