HANIA RANI – Ghosts


Foto-© Rein Kooyman

I will be gone tonight
Everything’s done for a while
And I will be silence with yours
In the fire, in the night
We will be dancing like ghosts

And the day has arrived on time
Silently hides what we find
And you will be silence with mine
In the fire, in the night
We will be dancing like ghosts apart
Will you be dancing tonight?

(Hania Rani – Dancing With Ghosts)

Eine Komfortzone verlassen – das ist längst zur Phrase verkommen für oft nur marginale Änderungen im Sound einer Musikerin oder eines Musikers. Hört sich aber spannend an und vermittelt das Gefühl von (grundsätzlich lobenswerter) künstlerischer Entwicklung. Im Falle von Hanna Raniszewska, die ihren Namen zu Hania Rani abgekürzt hat, traf diese Beschreibung aber tatsächlich zu, als sie vor einigen Monaten mit der fast schon groovigen Pianopop-Single Hello überraschte.

Dass die vor 33 Jahren in Gdańsk (Danzig) geborene Pianistin und Komponistin mit diesem von einem Fender Rhodes-Klavier angetriebenen Track an Kate Bush oder Tori Amos erinnerte, schadete ihr sicher auch nicht. Nun ist das dritte Album der Polin draußen – und es setzt die Erkundung von Neuland im Singer-Songwriter-Genre mit einigen Liedern fort. Dass Hania Rani ihren introvertierten, der Neoklassik zugeordneten Stil nicht gänzlich über Bord wirft, macht den vielseitigen Reiz von Ghosts aus.

So stehen schon im ersten Drittel des Doppelalbums instrumentale Synthpop-Klanggemälde wie Oltre Terra oder 24.03 dem erwähnten Hello und Don’t Break My Heart gegenüber. Auch danach bleibt es abwechslungsreich. Die Singer-Songwriter-Stücke Dancing With Ghosts, ein wunderschön zartes Duett mit dem Kanadier Patrick Watson, und A Day In Never sind weitere Höhepunkte eines enorm starken Albums. Aber auch die experimentellere, an sphärische Soundtracks erinnernde Seite der abwechselnd in Berlin und Warschau lebenden Künstlerin kommt nicht zu kurz.

“Ich liebe lange Alben, und ich hätte gern, dass die Leute diese Platte wie ein Konzert hören, denn so ist es gedacht”, sagt Hania Rani über ihr faszinierendes Artpop-Meisterwerk Ghosts. Und ja, darauf sollte man sich einlassen bei den 13 teils langen Stücken (allein Komeda dauert gut elf Minuten, The Boat gut sieben).

Dass grenzüberschreitende Schöngeister wie Watson, Duncan Bellamy (Portico Quartet) oder Ólafur Arnalds sich gern an diesen prachtvollen Instrumental- und Gesangsaufnahmen beteiligten, wundert nicht. Die Promi-Features überstrahlen jedoch nie die Leistung von Hania Rani, die ihr Doppelalbum – wie schon den Vorgänger Esja (2019) – auf dem britischen Experimental-Label Gondwana herausgebracht hat.

Ein kommerzieller Durchbruch, der dem Berliner Neoklassik-Pionier Nils Frahm schon vor Jahren gelang, wäre dieser hochtalentierten Musikerin absolut zuzutrauen – und zu gönnen.

Hania Rani – Ghosts
VÖ: 06. Oktober 2023, Gondwana Records
www.haniarani.com
www.facebook.com/haniaranimusic

YouTube video

Werner Herpell

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