RELIC – Filmkritik

She thought, someone was coming into the house.

(Kay – Relic)

Nachdem die an sich noch recht rüstige alte Dame Eda (Robin Nevin) plötzlich verschwindet, machen sich Tochter Kay (Emily Mortimer) und die etwas entfremdete Enkeltochter Sam (Bella Heathcore) auf zum alten Familienanwesen im grünbewaldeten australischen Hinterland. So plötzlich wie sie verschwunden ist, taucht Eda wieder auf. Während Sam sich schlicht überschwänglich freut, hat Kay Zweifel: Zweifel an dem geistigen Zustand ihrer Mutter, Zweifel, ob sie wirklich alleine in dem abgelegenen Anwesen leben kann und Zweifel, ob die mysteriösen Eindringlinge, die ihre Mutter im Haus zu sehen glaubt, Anzeichen von Demenz oder eine reale Gefahr für die Familie darstellen…

Relic ist der Silent Hill-Film, den wir und das Spiel verdient hätten. Regisseurin Natalia Erika James schafft es in ihrem Spielfilmdebüt nahezu perfekt verschiedenste Gefühle bis hin zu geistigen Erkrankungen in eine Horrorfilm- Metapher zu gießen. Man kann die Wut, Selbstzweifel, Angst und Verzweiflung der drei Frauen förmlich greifen. Lässt sich der Inhalt nur schwer ohne Spoiler beschreiben, genügt der Blick in nahezu jede beliebige Szene um den audiovisuellen Horror des Films zu ergreifen. Der feuchte Traum eines jeden Sound- und Set- Designers. Ähnlich konstant wie Hans Zimmer in Filmen von Christopher Nolan den ganzen Saal zum Beben bringt, hält hier Brian Reitzell den Puls des Zuschauers am Ausschlagen. Die Sets hingegen fühlen sich verlebt, alt, heimgesucht, oft auch melancholisch schön an, weisen aber im Laufe des Films immer offensichtliche Anzeichen von Verfall und Verwesung auf. Genauso wie in einem Guillermo del Toro Film, dem eingangs erwähnten Horrorspiel-Klassiker Silent Hill, vor allem aber so wie der geistige Zustand von Eda.

Im Kino lief und begeisterte Relic dieses Jahr schon auf dem Fantasy Filmfest (mehr dazu in unserem ausführlichen Rückblick). Es bleibt zu hoffen, dass die australische Produktion nun im Heimkino ein breiteres Publikum erreichen kann. Den Film als Slow-Burn Horrorfilm zu beschreiben ist nahezu eine Untertreibung und so ist man trotz der geringen Laufzeit von 89 Minuten am Ende wirklich erschöpft. Dabei bleiben Jump-Scares wirklich komplett außen vor. Der Horror ist so konstant und gut, wie wenn man ganz ganz langsam und genüsslich Schokolade lutscht, wobei es Regisseurin James bis ganz zum Schluss schafft dem Impuls endlich draufzubeißen zu widerstehen. Sicherlich nicht jedermanns Art Horror zu genießen, aber auf jeden Fall ein Ansatz mit Klasse.

Relic (AU/US 2020)
Regie: Natalia Erika James
Darsteller: Emily Mortimer, Robin Nevin, Bella Heathcore, Steve Rogers, Chris Bunton
Heimkino-Start: 30.Oktober 2020, LEONINE

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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