Bedroomdisco Alben Top 50 – 2021

20 - 11

20. Drangsal – Exit Strategy

Sich von bekannten Mustern lösen, Normen hinterfragen, ausbrechen. In einer noch immer von klaren Strukturen geprägten Gesellschaft weiß man oft nicht wie das gehen soll – doch Drangsal brachte mit seinem dritten Album Exit Strategy den perfekten Fluchtplan. Neu und doch vertraut kam das neue Album des gebürtigen Pfälzers daher, als Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, gepaart mit neuen musikalischen Ansätzen. Drangsal aka Max Gruber wuchs damit nochmal über sich selbst hinaus und schien dieses Mal wirklich keine Limits zu kennen, alles ist lauter, bunter und wagemutiger als wir es bisher eh schon von dem Künstler kannten.

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19. Hayden Thorpe – Moondust For My Diamond

Das Gespür des ehemaligen Wild Beasts-Frontmanns Hayden Thorpe für gefühlvolle Songs ist schon seit den Anfängen seiner damaligen Band bekannt. Auf seiner ersten Solo-Platte Diviner befasste er sich mit seinem Innenleben, das von Einsamkeit und Zerbrechlichkeit gezeichnet war. Songs wie Diviner oder Love Crimes waren herrlich minimalistische Hymnen, auf denen Thorpes Gesang im Fokus stand. Mit Moondust For My Diamond geht Haydens Blick nach außen, raus in den Kosmos, nach dem, was man vielleicht noch nicht ganz fassen, sondern nur fühlen kann. Musikalisch experimentiert Thorpe mit viel größeren Soundflächen – mit mehr Elektronik und sogar einigen Pop-Strukturen. Moondust For My Diamond klingt so deutlich positiver als der Vorgänger und taucht diesmal ganz in elektronische Klangsphären ein. Thorpe verzaubert erneut mit seiner Gabe, sinnliche Hymnen zu schreiben. Die Stücke kann man letztendlich nicht ganz erfassen, man muss sie einfach fühlen.

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18. St. Vincent – Daddy’s Home

Seit ihrem Debüt Marry Me aus dem Jahr 2007 ebnet sich Annie Clarke, alias St. Vincent, von Album zu Album und von Kooperation zu Kooperation ihren Weg durch die Musikindustrie an die Speerspitze der verkopften Rock-Musik. Das 2021er-Album Daddy’s Home markierte eine neue Epoche für die Künstlerin, wie aber auch für die Privatperson – denn nachdem ihr Vater 2010 inhaftiert wurde, kehrte er 2019 aus dem Gefängnis zurück, woraufhin sie begann an den Songs des neuen Albums zu schreiben. Diese führten sie zurück zu der Musik ihrer Kindheit, die sie damals noch mit ihm gehört hatte: LPs, die sie wahrscheinlich mehr als jede andere Musik in ihrem Leben begleiteten, Songs, die im sepiafarbenen Downtown New York Anfang der Siebziger gemacht wurden. Gritty. Grimy Sleazy.

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17. Maple Glider – To Enjoy is the Only Thing

Tori Zietsch ist als Maple Glider eine dieser musikalischen Persönlichkeiten, die förmlich zustechen. Und zwar mitten ins Herz. Die Musik ist so wunderbar roh und ehrlich, dabei trotzdem leicht zu verdauen und einfach irgendwie hypnotisch. Drum ist To Enjoy is the Only Thing auch ein Album, das uns sofort komplett gebannt hat. Geprägt durch zutiefst persönliche Reflexionen und samtweiche melodische Kompositionen, verschwendet es keine Zeit, sondern kommt direkt zum Punkt, legt die Emotionen offen und macht die Songwriterin zu einer der Newcomerinnen und Geheimtipps des Jahres 2021!

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16. Wolf Alice – Blue Weekend

Wer bin ich, wen liebe ich, was darf ich? Diese Fragen gehen mit dem Alltag einher. Dass man sich davon aber nicht unterkriegen, sondern vielmehr Stärke daraus ziehen kann, dazu motiviert Blue Weekend. Denn hier wirkt auf einmal alles in Songs verfasst nur noch halb so schlimm oder schwer, denn wir werden ja verstanden und dabei auch noch mit so großartigen Songs zur emotionalen Achterbahnfahrt beglückt. Denn wie das Leben so spielt, zeigt sich dieses Album mal gefühlvoll, mit der Tendenz zum Pop, dann wieder Druckvoll a la Stadionrock. Reagiert mit Punk-Attitüde auf die nicht existente heile Welt (Play the Greatest Hits) und singt mit gefühlvollen Bandharmonien. Eine Bandbreite, was Wolf Alice alles können: anmutiger Rock, atmosphärische Songs mit charakteristischen Melodien und Refrains.

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15. Torres – Thirstier

Thirstier ist das fünfte Studioalbum der in Brooklyn ansässigen Musikerin Mackenzie Scott, besser bekannt als Torres. Es ist explosiv, punkig, rau – aber auch sanftmütig, stolz und furchtlos. Ihre starke, tiefe Stimme und aufbrausenden Gitarreneinlagen begeistern durchweg. Lyrisch wagt sich Torres an einen entwaffnenden Optimismus, der uns allen guttun würde und entführt uns so, wenn man genau hinhört, in eine fantastische, bebende Indie-Rock-Welt der Superlative. Bei alldem was Thirstier darstellt und übermittelt kann man gar nicht anders, als es zu feiern und wenigstens mit positiver Energie zu umarmen. Wer aufgeregt und bereit ist eine stolze, bestimmte, optimistische, verliebte und weitblickende Torres zu entdecken, dem wird dieses Album sicher gefallen.

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14. The Weather Station – Ignorance

Es ist so etwas wie das Konsensalbum des Jahres 2021, ist der Nachfolger Ignorance zum 2017er Album der Kanadierin Tamara Lindeman doch weltweit auf fast allen Besten-Listen vertreten – kein Wunder, agiert sie darauf doch auf dem Höhepunkt ihres bisherigen Schaffens, hat den Klang ihres Projekts noch mal komplett neu gestaltet und damit eine Klanglandschaft geschaffen, die maßgeschneidert ist, um all ihren Emotionen Ausdruck zu verleihen. Sanft und doch eindringlich, sehnsüchtig bezaubernd und groovend, wie beruhigend – hier treffen viele Pole aufeinander und schaffen eine besondere Platte, die noch in einigen Jahren als Referenz für den Sound von 2021 stehen wird!

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13. Jeremias – golden hour

Jeremias repräsentieren die unbeschwerte Seite der Generation Z, aufgewachsen mit digitaler Technologie und Social Media. Fast alle Songs von Golden Hour sind unter drei Minuten lang – perfekt zugeschnitten für Streaming und Radio. „Ich mag das, wie es gerade ist, wie alles laut und disco ist, sie feiert alle 90s hits, ist mir egal, solange es glitzern ist“, singt Sänger Jeremias auf Ich mags. Seine seufzenden, rauchigen Vocals bilden einen interessanten Kontrast zu den fröhlichen Uptempo-Beats. Die Ballade Einfach thematisiert den Glauben an sich selbst und dass doch eigentlich alles ganz einfach ist. Optimismus, besonders in der aktuellen Zeit, ist wichtig. Die Band bringen damit frischen Wind in die deutsche Poplandschaft. Denn sie liefert ein Gute-Laune-Album, das sich herrlich in der Pandemie hören und auf bessere Zeiten hoffen lässt.

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12. girl in red – if i could make it go quiet

Früh kristallisierte sich die norwegische Newcomerin Maria Ulven, alias girl in red, als queere Ikone in der Musikszene heraus. Ihre mitreißenden, rockigen Indie-Tracks behandeln in erfrischender Offenheit ihr Liebesleben, Herzschmerz und Sehnsüchte. Von ihrem Schlafzimmer aus hat girl in red ein Album produziert, dass genau nach ihren Vorstellungen entstanden ist und in sich natürlich klingt. Von Balladen zu Rock über Pop ist alles vertreten. In ihren Lyrics spiegeln sich die Ängste und Ideale der Gen Z wider. Und sie hat ein Gespür für mitreißende Melodien. Auf ihrem Album zeigt sie sich erstmals von mehreren Seiten und das gelungen. “if i could make it go quiet is an attempt to learn what it’s like to be human,” sagt Marie in einem Interview, “to deal with the scariest parts of myself; to live with the pain of knowing i’m only flesh and bones; to be angry, broken and unforgiving yet still able to wear my heart on my sleeve; i’m shedding light on the darkest parts of my mind and i’m letting everyone in; if i could make it go quiet is me simply trying to understand what the fuck is going on.”

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11. Snail Mail – Valentine

2018 hat Lindsey Jordan aka Snail Mail mit gerade mal 18 Jahren und ihrem Debüt Lush international für Furore gesorgt – Kritiker:innen hin und weg, Touren ausverkauft, ein Start mit Turboantrieb. Und Jordan? Kam irgendwann nicht mehr hinterher. Die Musikwelt dreht durch, ihre Beziehung zerbricht und sie nimmt sich in einer Rehab-Klinik in Arizona 45 Tage Auszeit von der Welt. Dort hat sie angefangen, ohne jegliches Equipment zu schreiben. Das Ergebnis ist Valentine. Hier geht alles noch ein bisschen tiefer, alles ist noch ein bisschen reflektierter, dabei niemals kitschig oder langweilig. Jordan verbindet coolen Intellekt mit genreübergreifendem Indie, ohne sich in Experimenten zu verlieren. Musikalisch arbeitet sie auf dem Album elektronischer, mit Samples und Synthies kreiert sie unkonventionelle Indie-Pop-Songs, die im Ohr bleiben. Ben Franklin, Forever (Sailing) und Madonna sind interessant und eingängig. Vor allem Letzteres besticht durch Dynamik und Rhythmus. Offenbar hat Lindsey Jordan mit ihrer zweiten Platte so einiges hinter sich lassen können. Herausgekommen ist ein Album, das nicht nur ein neues Kapitel für die Künstlerin, sondern vielleicht auch für das Indie-Genre aufschlägt. Wie wenig andere schafft sie es, Verletzlichkeit, Coolness und Abgeklärtheit zu mischen und sich sowohl musikalisch als auch textlich den Dissonanzen des Lebens hinzugeben.

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Dominik

Bedroomdisco-Gründer, Redaktions-Chef, Hans in allen Gassen, Golden Leaves Festival Booker, Sammler, Fanboy, Exil-Darmstädter Wahl-Hamburger & happy kid, stuck with the heart of a sad punk - spreading love for great music since '08!

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