SLOWDIVE – everything is alive


Foto-© Parri Thomas

Tell me, “You’re the best thing”
I tell you, “That’s what you need”
Rolling on those good looks
Maybe it’s just enough
I know you dream of snowfields
Floating high above the trees
Living for the new thing
Sometimes the new won’t do

Kisses
Born desert sun
Kisses
Born desert sun
Kisses
Born desert sun

Maybe there’s a car there
Driving away from here
Taking all the ghosts, the hurt
Well, everything starts anew
Tell mе what you need, what’s right
Whatever is just enough
Is living with thе truth, a start
Maybe it’s just enough
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(Slowdive – Kisses)

Dass manche junge Rockmusiker in den 80er und 90er Jahren vor lauter Schüchternheit auf ihr Schuhwerk schauten statt ins Publikum, hat einen schönen Subgenre-Begriff abgeworfen: Shoegaze. Letztlich ging es um “sehr schwelgerische Musik, zumeist durch dichte, aber melodische, extrem mehrstimmige Gitarrenwände gekennzeichnet, die mit Hilfe elektronischer Effektgeräte und Synthesizer erzeugt” wurden, wie ein Wikipedia-Eintrag hilfreich zusammenfasst. Dieser nennt als Band-Beispiel an erster Stelle: Slowdive.

Mit Souvlaki (1993) und Pygmalion (1995) hatten das Readinger Quintett bereits mindestens zwei Shoegaze-Meisterwerke auf seinem Konto, ehe es sich nach längerer Trennung 2014 wiedervereinigte. Dem selbstbetitelten, weithin gefeierten Comeback-Werk von 2017 folgt nun mit everything is alive ein erneut starker, den Verdiensten von Slowdive angemessener Longplayer – selbst wenn der Zauber des Neuen nun – 30 beziehungsweise sechs Jahre später – bereits zweifach verflogen ist.

Slowdive bestehen heute aus den vier Gründungsmitgliedern Rachel Goswell und Neil Halstead (beide Gesang und Gitarre), Christian Savill (Gitarre) und Nick Chaplin (Bass) sowie dem langjährigen Drummer Simon Scott – de facto die Originalbesetzung aus der klassischen Bandphase und der hochwillkommenen Reunion vor fast zehn Jahren. “Aufgrund ihrer langen Geschichte ist die familiäre Energie von Slowdive im Jahr 2023 spürbar”, schreibt das Label Dead Oceans und hat damit völlig recht – denn everything is alive lebt tatsächlich von der einzigartigen Chemie zwischen diesen fünf Musikern, den prächtigen Arrangements, sphärischen Gitarren-Sounds und ätherischen Vocals.

Zur besonders schönen, fast fröhlichen Single-Auskoppelung kisses sagt Frontmann Neil Halstead, der zwischenzeitlich auch mit der folkigeren Band Mojave 3 Erfolg hatte: “Es würde sich nicht richtig anfühlen, jetzt eine wirklich dunkle Platte zu machen. Das Album ist emotional ziemlich eklektisch, aber es fühlt sich auch hoffnungsvoll an.” Er selbst hatte in der Rolle des Autors und Produzenten den Anfang gemacht, der zunächst zuhause an Demos arbeitete, mit modularen Synthesizern experimentierte und “ein minimaleres, elektronisches Album” anstrebte.

Die “kollektive Entscheidungsfindung” von Slowdive führte schließlich zurück zu den charakteristischen, mit Hall durchzogenen Gitarrenwänden (der Closer The Slab etwa ist wirklich ein Brett), aber das Konzept von Reduktion ist noch spürbar. “Wenn wir als Band alle damit zufrieden sind, ist das tendenziell das stärkere Material. Wir sind immer aus leicht unterschiedlichen Richtungen gekommen, und die besten Stücke sind dort, wo wir uns alle in der Mitte treffen“, sagt Halstead. Und Goswell ergänzt: “Wenn wir fünf in einem Raum zusammenkommen, passiert etwas Undefinierbares.”

Zwar definiert everything is alive den Slowdive-Klang nicht neu. Jedoch ist auch dieses Album eine würdige Ergänzung dieses so schmalen wie faszinierenden Werk-Katalogs von echten Shoegaze-Pop-Pionieren.

Slowdive – everything is alive
VÖ: 01. September 2023, Dead Oceans
www.slowdiveofficial.com
www.facebook.com/Slowdive

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Werner Herpell

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