BRIGHT EYES – Down In The Weeds, Where The World Once Was

Foto-© Shawn Brackbill

In the dark
At a distance
I see everything at once
Feel the wind
Through the window
And I’m overcome with love
Interdimensional, no obstacles
Mountains and dust

(Bright Eyes – Forced Convalescence)

Das Klackern einiger einsamer Schritte auf einer verlassenen Landstraße, auf dem Weg in die nächstgelegene Bar, kaum auszumachende Gesprächsfetzen, im Hintergrund eine Ragtime-Einlage und schließlich spricht mit aller Klarheit eine Stimme: „I think about how much people need – what they need right now is to feel like there’s something to look forward to. We have to hold on“. So beginnt mit Pageturner’s Rag das neue, zehnte Studioalbum der Bright Eyes, mit dem Titel Down In The Weeds, Where The World Once Was. Und während Dance And Sing ertönt, ist es auf einen Schlag wieder so, als wäre das Gespann um Conor Oberst, Mike Mogis und Nate Walcott nie weg gewesen.

Und doch, ganze neun Jahre ist es her seit der letzten LP The People’s Key und wenn auch die Mitglieder der Band keineswegs untätig gewesen sind, dürfte das vorläufige Ende der inoffiziellen Auszeit nicht nur bei Folk-Enthusiasten unbändige Euphorie auslösen. Dass sich diese nach dem letzten Akkord der insgesamt vierzehn Songs als bloße Vorfreude wieder verzieht, ist bei der Grandeur von Down In The Weeds… mehr als unwahrscheinlich.

Zugleich von apokalyptischen Visionen, wie von dem Versprechen großer Hoffnung getragen, spannt das neue Werk der Bright Eyes einen großen Bogen – sowohl lyrisch als auch auf der musikalischen Ebene sind die Songs die Protagonisten furchtloser Experimente einer Band, die nach einer derart langen Zeit wieder gemeinsamen Boden betritt. Dance And Sing lässt eine symphonische Grundlinie durch Blues- und Folk-Wurzeln durchscheinen, durch die hindurch Obersts brüchige Stimme die Nostalgie früherer Zeiten wieder zum Leben erweckt. Mariana Trench ist zunächst von rauschenden Synths dominiert und führt seine von Angst getriebenen Rhythmen in den mächtigen Strom eines Bläserquartetts. Das folgende One And Done trägt sich dann fast wie von selbst. Ein melodischer Bass mischt sich mit akzentuierten Klaviernoten, während Oberst sich mit zarter bis fiebriger Energie daran abarbeitet, dass das was einmal war, nie wieder so sein wird: „This whole town looks empty but we knew it wouldn’t last / Behind bulletproof windows they’re still wiring the cash / Whatever they could scrape up, whatever that they had / There’s a lot of mouths to feed through this famine“. 

Persona Non Grata, einer der Vorboten von Down In The Weeds… und prominent mit Dudelsack-Passagen garniert, glänzt durch seine pure Nostalgie, abgesehen von der melodischen Geradlinigkeit, die sich wurmhaft im Gehörgang festsetzt. Dies gilt auch für das folgende Tilt-A-Whirl, ein Track der sich erst durch ein akustisches Fundament auszeichnet und im Laufe seiner Dauer eine melodische Wucht entwickelt, die selbst für Bright Eyes bemerkenswert ist. Dagegen klingt Forced Convalescence wie ein fiebriger Traum, über dessen Schwere der Gospelchor (wie der Dudelsack auch eine Premiere für die Band) nur scheinbar hinwegtäuschen kann. Comet Song bildet als abschließende Ballade einen würdigen Ausklang für dieses Album und wirkt mit seiner symphonischen Ader wie ein ruhiger Zwilling von Dance And Sing. 

Down In The Weeds… ist eine monumental angelegte Sammlung von gereiften Stücken einer großen Band, die im Laufe der Dauer der neuen Platte demonstriert, was es heißt, nach einer knappen Dekade wieder zu sich zu finden. Sowohl Ausdruck tief liegender Ängste und Verluste als auch Manifest hell aufleuchtender Hoffnungen in einer Welt, die nichts dringender braucht als das, scheinen die Lieder von Down In The Weeds… als starkes Zeugnis der Tiefe menschlicher Erfahrung. Es ist der Sound der zum Weitermachen ermutigt. Wie es die Sprecherin im ersten Track zum Ausdruck bringt: „We have to hold on“.

Bright Eyes – Down In The Weeds, Where The World Once Was
VÖ: 21. August 2020, Dead Oceans
www.thisisbrighteyes.com
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Andreas Peters

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